Cyber-Expertin Kasperskaja: "Machen Sie sich nichts vor, es gibt keine Anonymität mehr"
Der beste Weg, um sensible Daten zu schützen, ist, diese nicht online hochzuladen, da selbst verschlüsselte Apps einen Schutz nicht garantieren können, so Natalia Kasperskaja, die Leiterin des Cybersecurity-Unternehmens InfoWatch, im Interview mit RT.
Ein moderner Nutzer digitaler Geräte muss sich bewusst sein, dass "alle seine Bewegungen aufgezeichnet und alle Fotos sowie alle Videos in der Cloud gespeichert werden. Auch alle Textnachrichten werden gespeichert", so Kasperskaja. Social Media Plattformen sammeln alle Daten, die sie kriegen können, da der Zugang zu diesen Dienstleistern kostenlos ist und sie daher nur durch den Verkauf dieser Informationen oder deren Analysen für Werbezwecke Geld verdienen. Kasperskaja hob hervor:
"Es gibt keine Anonymität. Es gibt schon seit langem keine Anonymität mehr. Machen Sie sich da nichts vor."
Die Nutzer verschlüsselter Anwendungen wie Telegram mögen denken, dass sie geschützt sind. Dies sei aber ein Mythos, betonte die Tech-Unternehmerin, die zusammen mit ihrem Ex-Mann Jewgeni Kaspersky den renommierten Virenschutz-Dienstleister Kaspersky Lab gründete und dessen Geschäftsführerin sie war. Ein elektronisches Gerät sei für sich selbst eine ungeschützte Umgebung, erklärte die Expertin.
Jedes Telefon ist mit einem Bewegungssensor ausgestattet, der nicht nur die Anzahl der Schritte des Nutzers, sondern auch seine Mikrobewegungen aufzeichnet. Jede App greift automatisch darauf zu und kann jede Textnachricht in dem Moment lesen, in dem sie auf dem Bildschirm geschrieben wird und umgeht somit die Verschlüsselung. Ein neuronales Netzwerk entschlüsselt die Mikrobewegungen der Finger in kürzester Zeit und verwandelt diese in einen Text, erklärte die Cybersecurity-Expertin. Sie erläuterte weiter:
"Die grundlegendste Empfehlung, die man sich leicht merken kann, ist, einfach nichts zu tun oder auf sozialen Medien zu veröffentlichen, wofür man sich schämen würde. Es spielt keine Rolle, ob Sie es für Ihre Freunde oder eine bestimmte Person tun: Sobald Sie etwas in ein elektronisches Gerät eingeben, sollten Sie davon ausgehen, dass diese Daten durchsickern."
Das sollte für einen normalen, gesetzestreuen Bürger kein großes Problem darstellen. Wenn Sie aber "ein James Bond" sind, sind ein Tastentelefon und eine Maske im Gesicht das Beste, was Sie tun können", scherzte Kasperskaja.
Youtube und die Werbung für Nawalnys Video über "Putins Palast"
Ein im Schwarzwald gedrehter Film über ein luxuriöses Anwesen an der Schwarzmeerküste, von dem der Politblogger Alexei Nawalny und seine Mitstreiter behaupten, dass es angeblich ein Palast Putins sei, ist zu einem der Hauptauslöser der jüngsten Proteste gegen die Regierung in ganz Russland geworden. Obwohl der Kreml bestreitet, dass der russische Präsident Wladimir Putin mit dem Anwesen in Verbindung steht, hat das Video auf Youtube in nur drei Wochen 111 Millionen Aufrufe erreicht. Kasperskaja behauptet, dass der von Google betriebene Video-Hosting-Dienst selbst maßgeblich zu diesem vermeintlichen Erfolg beigetragen habe. Sie sagte:
"Es ist offensichtlich, dass die Plattform an der Verbreitung des Videos beteiligt war."
Dies sei nicht durch Bots geschehen, wie einige Kritiker behaupten, sondern durch sogenannte Featuring-Mechanismen, da der umstrittene Film einer beispiellosen Anzahl von Nutzern empfohlen wurde.
Was die rekordmäßigen Zuschauerzahlen betrifft, könne Youtube keine verlässlichen Klickzahlen für das Video nennen, da es keine Möglichkeit gibt, diese unabhängig zu überprüfen, so die InfoWatch-Chefin. Dennoch habe die Plattform es mit der Zählung offenbar "übertrieben", hob die Tech-Expertin hervor, da es in Russland schlicht nicht so viele Youtube-Zuschauer gebe, fügte sie hinzu.
Auf die Frage, ob Youtube für eine derartige Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands zur Rechenschaft gezogen werden sollte, antwortete Kasperskaja, dass das Land entweder mit rechtlichen oder technischen Mitteln gegen die Plattform vorgehen könne.
Zu diesen rechtlichen Mitteln könnten Geldstrafen zählen, die aber von ausländischen IT-Konzernen oft ignoriert werden, da diese keine Niederlassungen in Russland haben und außerhalb der Gesetze des Landes operieren. Daher würde sich eine technische Antwort in diesem Fall wahrscheinlich als effektiver erweisen. Kasperskaja erklärte:
"Es gibt im Grunde keine Möglichkeit, ein bestimmtes Video auf der Plattform abzuschalten. Die Optionen sind, die gesamte Plattform zu blockieren oder sie zu verlangsamen. Stellen Sie sich vor, die Clips würden zehnmal länger zum Laden brauchen."
Moskau solle sich in diesem Zusammenhang vor Zensurvorwürfen nicht fürchten, denn die Regierungen in den USA, der EU und in anderen Ländern der Welt würden versuchen, soziale Medien zu kontrollieren, betonte sie und sagte mit Blick auf Russland:
"Sollten wir in Anbetracht dessen die einzigen auf der Welt sein, die für die Freiheit von Youtube kämpfen? Ich bin mir da nicht so sicher."
Kasperskaja erinnerte an die Sperrung von TikTok in den USA im vergangenen Jahr, als der damalige US-Präsident Donald Trump forderte, dass das in China ansässige Videoportal an einen US-amerikanischen Eigentümer verkauft werden sollte.
Die US-Regierung begründete das Vorgehen mit ihrer Sorge um die persönlichen Daten US-amerikanischer Bürger, auf die chinesische Geheimdienste zugreifen könnten. Das Unternehmen glaubt jedoch, dass es sich "eher um eine Absichtserklärung als um eine tatsächliche Bedrohung handelt", da die TikTok-Server in den USA stehen. Kasperskaja erklärte:
"Die US-Amerikaner wollen die Kontrolle über ihre Plattformen haben. Sie kümmern sich nicht so sehr um die Meinungsfreiheit. Sie sind an Propaganda und der Förderung ihrer Ideen interessiert."
Sie fügte hinzu, dass der neue US-Präsident Joe Biden wahrscheinlich das Ziel seines Vorgängers weiter verfolgen wird, TikTok US-amerikanischen Bestimmungen zu unterwerfen.
Twitter, Facebook und weitere Plattformen unter Kontrolle der US-Regierung
Ein weiteres Beispiel für den Mangel an Meinungsfreiheit in den USA ist die Sperrung von Trumps Social Media Konten noch zu Zeiten seiner Präsidentschaft. Man warf ihm vor, zu Gewalt angestiftet und die gewaltsamen Proteste vor dem US-Kapitol am 6. Januar ausgelöst zu haben.
Doch Twitter, Facebook und weitere Plattformen hätten diese "ziemlich selbstmörderischen Schritte" nicht freiwillig unternommen, betonte Kasperskaja und stellte klar:
"Sie wurden dazu gezwungen."
Diese Unternehmen "stehen unter der absoluten Kontrolle der US-Regierung", so die InfoWatch-Chefin.
Trump wurde so hart sanktioniert, da die US-Politik gespalten ist und die Kontrolle der Medien in den Händen jenes Teils der Regierung liegt, der Trump weghaben wollte. "Es war eine Zensur der einen Hälfte des Landes durch eine andere", stellte Kasperskaja klar.
Sie fügte hinzu, es sei überraschend, dass der konservative Teil der US-amerikanischen Gesellschaft den Medien nicht ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt hätte und nicht in der Lage wäre, für die Verteidigung eigener Interessen eigene digitale Plattformen zu schaffen.
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